Neulich im Museum – Szenen während einer Pandemie

Dies ist ein kleiner privater zensurierter Einblick in das Leben einer 51-jährigen:

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Neulich im Museum

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Szene 1:

Die Mutter ist mit ihrem 25-jährigen Sohn in der Stadt unterwegs.

Der Rest der Familie ist daheim in Quarantäne und sudert und genießt die Zeit. Die Sonnenstrahlen lassen den nahenden Frühling erahnen. Beide, Mutter und Sohn, steuern die Tabakfabrik an, um sich die Ausstellung über den Streetart-Künstler Banksy anzuschauen. Die Mutter friert, denn sie ist viel zu kühl angezogen trägt eine dunkelblaue Jeans im „Marlenestil“, so wie man sie jetzt trägt, aber die sie schon immer so getragen hat; sie hält es bei den Jeans so wie mit dem Ehemann: was passt, das passt und wird auch nicht ausgetauscht außerdem einen kurzen hellblauen Mohairpullover und ein dunkelblaues Schnürlsamtblouson. Dazu ein hellrotes Barett Baskenmütze ist politisch inkorrekt? Die FFP2-Maske ist ebenso hellrot und ersetzt den hellroten Lippenstift.

Mutter und Sohn lösen das Ticket und die Mutter muss vor der Ausstellung so wie immer nochmals aufs Klo. Sie biegt jedoch in die falsche Richtung ab. Daraufhin meint die junge Frau, die das Ticket entwertet hat zum Sohn: „Du, sag deiner Freundin, dass sie durch die Tür durch und dann rechts gehen muss.“

Der Sohn gibt die Info der Mutter lachend und kopfschüttelnd weiter.

„Ha! Sie meinte ich sei deine Freundin!!!“

Ich fühlte mich gleich wie eine 30-jährige und schreite beschwingt durch die Banksy-Ausstellung alle 20- und 30-jährigen Männer durch die FFP2-Maske anlächelnd. – Wer kann der kann!

Ich kann nicht aufhören, diese Anekdote freudestrahlend immer wieder zu Hause und jeden der es nicht hören will, zu erzählen: “Hast du schon gehört? Neulich im Museum…” Der Sohn verdreht jedes Mal bei der Geschichte die Augen. “…Die frische Landluft und das Töpfern halten anscheinend jung! Und hellrot ist sowieso meine Lieblingsfarbe …”

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Szene 2:

Sie ist mit ihrem Ehemann unterwegs.

Mit dem, den sie niemals auswechseln würde, denn was passt, das passt. Sie haben einen „Schlenkertag“ in Passau, schlendern durch die Stadt, genießen den Espresso und die Sonnenstrahlen auf der Terrasse des Cafés Nähe des Doms. Endlich wieder einmal eine Zeit zu zweit ohne Hunde und erwachsene Söhne. Beide lächeln. Er, weil er einen guten Espresso und ein gutes Stück Kuchen vor sich hat, sie auch sie, weil sie sich vorher einen „Buckethat“ mit Leoprint gekauft hat.

Sie trägt diesmal eine braune Marlenehose (was passt, das passt), eine blitzblaue Seidenbluse, einen camelfarbenen Wollmantel, denn es ist noch immer nicht Frühling, und ein braunes Barrett eine braune Baskenmütze. Die FFP2-Maske, die in Geschäften und Museen… noch immer getragen werden muss, ist diesmal türkis. Ab und zu wird die coole Gleitsicht- Sonnenbrille aufgesetzt denn sie ist schon weitsichtig und kann Kleingedrucktes nicht mehr lesen.

Am Heimweg beschließen die beiden, über Engelhartszell zu fahren, was kein ein Umweg ist, um dort ins „Schütz-Art-Museum“ zu gehen. Das Museum ist neu und sie wollten es sowieso schon mal besuchen dort einen Kaffee trinken.

Vor dem Museum parken große Autos (mit Wiener Kennzeichen; bei einem wartet sogar ein Chauffeur davor), das Gebäude mäandert (sie hat sich nie gedacht, dass sie dieses Wort jemals benutzen wird; sie kennt es noch gar nicht solange) liegt im Bauhausstil parallel zur Donau und um das Haus und auf den Terrassen im ersten Stock oben stehen Skulpturen.

Sie und er stellen sich an der Museumskasse an. Sie hat ihr oben beschriebenes Outfit an. Die Sonnenbrille ist gegen die olivfarbene Hornbrille getauscht worden. Der Ehemann mit den weißen Schläfen ordert zwei Tickets. Die Verkäuferin zögert, schaut beide an, will etwas sagen, lächelt (hinter der FFP“-Maske), will wieder etwas sagen, schaut, lächelt,…

„Ja, meint die vielleicht, ich sei seine Tochter und sie möchte meinen Studentenausweis sehen?“, huscht ihr durch den Hinterkopf. In diesem Augenblick sagt die Ticketverkäuferin: „zwei ganz normale Tickets?“

Sie antwortet: „Ja, mit den Masken und den Mützen sieht man nie, wie alt die Menschen sind“

Die Verkäuferin sagt erleichtert: „Ja, genau. Man will ja auch niemanden beleidigen!“

Beleidigen? Das ist doch keine Belei….. Wieso beleidigen?!! Was meint sie damit?!!

Nach ihnen ordert ein Paar zwei Seniorentickets.

Erst nach dem Drehbalken, bei der Garderobe, als sie Barrett und Camelmantel abgelegt hat, dämmert ihr, dass sie knapp daran vorbei geschrammt sind, um nicht beim Ticketkauf gefragt zu werden: „Zwei Tickets mit Seniorenausweis?“

Beide, sie und er, lachen und können sich dabei fast nicht auf die Bilder konzentrieren. „Seniorentickets, ha, ha, ha, Seniorentickets!!! “Also so weiß sind deine Haare auch wieder nicht“, meint sie zu ihm und sieht ihn dabei sehr kritisch an. „Naja, irgendwie schon, für das, dass du erst 52 wirst“.

„Und deine Falten bei den Augen sind nun auch wieder nicht so tief“, meint schummelt er lakonisch.

Erst oben im ersten Stock, bei den Ateliers, wo die Künstler – Artists of Residence – arbeiten, haben sich beide wieder gefangen.

Ganz beschwingt gehen sie nach dem Bestaunen der Werke die Treppe hinunter und steigen locker leicht ging schon mal besser! über eine Absperrung an der Kasse um zu demonstrieren, wie jung sie noch sind. Die Verkäuferin an der Museumskassa soll sich was schämen! – Sie sind junge 50 und werden immer wieder mal mit 30- , 40- okay, 45-jährigen verwechselt!

In der Cafeteria, wir trinken diesmal keinen Kaffee, sondern Wasser ein kleines regionales Bier, sehe ich mich um und stelle fest, dass Dominik und ich die jüngsten im Museum sind (ausgenommen von dem einen kleinen Kind, das mit seiner Oma ins Museum gegangen geschliffen worden ist).

Bei der Heimfahrt – immer wieder in den Spiegel schauend Maske und Barett längst abgelegt – beschäftigt mich die Frage:

Wer oder was zeigt/definiert mein wahrgenommenes Alter?

Ist es:

  • Meine Haltung?
  • Mein Outfit?
  • sind es meine Falten?
  • oder ist es meine Haarfarbe?
  • Oder sind es die weißen Schläfen meines Mannes?
  • Ist es das Umfeld? – Die jungen Leute bei der Banksy-Ausstellung und die alten Leute im “Schütz-Art-Museum”? Und: sehen sich Ölgemälde nur ältere Menschen an? Graffitis nur jüngere?

 

Das Umfeld und das Outfit in dem ich mich bewege, lässt also Schlüsse über mich zu.

Ich werde schnell in eine Schublade eingeordnet. Auch wenn die nicht immer so passt.

Weitere Fragen poppen auf:

  • Ab wann darf ich auf der Tanzfläche nicht mehr „flippen“?
  • Passt es, in meinem Alter öffentlich Shorts zu tragen?
  • Wie lange, oder ab wann trägt man einen Buckethat mit Leomuster?
  • Tragen nur ältere Frauen camelfarbene Mäntel, Seidenbluse und braunes Barrett?

 

Bestimmt etwa der Mann, der mich begleitet, mein Alter?

Ja!! Jetzt habe ich es! Das muss es sein: Der Mann der mich begleitet, lässt mich älter oder jünger aussehen.

 

Alter hin oder her. Weiße Schläfen hin oder her. Falten hin oder her …

Was passt das passt – und wird auch nicht ausgetauscht.

 

herzlichst, und ganz ehrlich,

Christine

 

2 Kommentare
  1. Anita Rosner
    Anita Rosner sagte:

    liebe Christine, …..eine lustige Geschichte, …eigentlich ist es doch so, dass die Kinder einen oftmals “alt” aussehen lassen,…. in Deiner Geschichte gibt es eine lustige Wendung…

    Antworten

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